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Beitrag  Julio Goncalves da Silva Di Apr 20, 2010 3:09 pm


Trainer vor dem Mikrofon

"Da lach' ich mir doch den Arsch ab"


Das Team patzt, der Trainerstuhl wackelt - und dann kommen auch noch die Journalisten mit ihren kritischen Fragen. Manch einem Bundesliga-Coach platzt da der Kragen. Was die Übungsleiter dann Skurriles von sich geben, hat das Magazin "11FREUNDE" zusammengetragen.

Lesen Sie im ersten Teil der Geschichte: Welcher Trainer mit einer "Mistkäsescheißdreck"-Rede die Republik schockierte, warum Felix Magath wutentbrannt das Sky-Studio verließ und welcher Trainer aus Protest über die Schiedsrichterleistung eigentlich nichts sagen wollte - und dann in einen Redeschwall zu verfiel.

Verschwörungstheorien sind im Fußball keine Seltenheit. Trainer waren schon immer groß darin, hinter strittigen Entscheidungen ein perfides Komplott des DFB und der Geheimdienste zu wittern. Auch wenn der Nachweis schwierig werden dürfte, welches Interesse der Mossad an einem Gladbacher Abstieg in Liga zwei haben könnte.

"Was gegen uns passiert, ist unbegreiflich. Das hat Methode!", moserte einst Willi Reimann, Bernd Kraus jammerte mitleiderregend: "Es ist schon schlimm, was mit uns passiert!" und Wolfgang Wolf wandte sich sogar direkt an die Verschwörer: "Wenn ihr uns nicht in der Liga haben wollt, dann könnt ihr uns das auch sagen!"

Doch erst nach Rudi Völlers Wutrede brachen alle Dämme. Vor allem bei Christoph Daum. Der hatte schon zuvor gerne mal Journalisten nachgeäfft und TV-Reportern angeboten, Gedächtnisprotokolle zu führen ("Geht das mal in einen Journalistenkopf rein oder soll ich Ihnen das noch schriftlich mitgeben?"). Stets unterstützt durch den optischen Kniff, seinen Gesprächspartner derart durchdringend anzustarren, dass dieser sich alsbald mit bohrenden Kopfschmerzen krankschreiben ließ.

Daum wetterte - und bekam zwei Spiele Sperre

Nun aber brillierte Daum als kenntnisreicher Geheimdienstexperte. Nach einer Heimpleite seiner Kölner gegen Alemannia Aachen deckte er überraschend im DSF eine Verschwörung bis in allerhöchste Regierungskreise auf. "Solange ich beim 1. FC Köln bin, fallen die meisten Entscheidungen gegen uns", schäumte Daum. "Das werde ich nicht mehr hinnehmen." Um dann abschließend in einem Anflug von Milde den indischen Teepflücker zu geben: "Ich möchte zukünftig fair behandelt werden." Eine Anklage, die auch deshalb so unterhaltsam daherkam, weil sich Daum im blinden Zorn auch vom wohlmeinenden DSF-Reporter nicht beruhigen lassen wollte. Anschließend wurde der Kölner Coach zwar zu zwei Spielen Sperre verurteilt. Eine Sanktion, die jedoch nicht zur allgemeinen Befriedung führte, sondern nur dazu, dass statt der Referees nunmehr die Fragensteller ins Visier genommen wurden.

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Auch die Journalistenschelte von Trainerseite war prinzipiell keine brandaktuelle Entwicklung. Sie war allerdings zuvor von eher exzentrischen Zeitgenossen wie Ernst Middendorp ("Knien Sie nieder, Sie Bratwurst") und Werner Lorant betrieben worden. Letzterer hatte auf einer längst legendären Pressekonferenz in Unterhaching dem versammelten Weltschmerz freien Lauf gelassen. Im ohnehin deprimierenden Hachinger Presseraum ließ Lorant zunächst die Fragen der Medienvertreter wie einen unangenehm riechenden Wind über sich ergehen und blickte vorwiegend gelangweilt aus dem Fenster, bevor es schwallartig aus ihm heraus brach: "Ich bin überhaupt nicht sauer, es kotzt mich an hier langsam. Es kotzt mich richtig an hier langsam!" Interessierte Nachfrage: "Was?" Antwort: "Alles!" Auf derart hohem Niveau ging es dann auch weiter. Einwände der leidlich eingeschüchterten Journalisten ließ Lorant schon gar nicht gelten, sondern ging mit gestrenger Oberlehrermiene die Anwesenheitsliste durch: "Waren Sie da gestern? Ja? Gut!" Ein denkwürdiger Auftritt, zu Recht nominiert für den Deutschen Comedypreis 2008.

Dolls Ausraster mit Dittsche-Akzent

Im Anschluss wurde auf Pressekonferenzen und am Spielfeldrand hemmungslos losgeledert. Den Startschuss gab Thomas Dolls ebenfalls 2008 mit beeindruckender Leidenschaft vorgetragene Wutrede in Dortmund, die allerdings argumentativ noch weit hinter Giovanni Trapattonis Ausführungen zurückblieb. "Wenn ihr den Trainer weghaben wollt, dann müsst ihr es sagen", motzte Doll. "Permanent auf den Trainer einzunageln und jetzt auch noch auf die Spieler loszugehen, das ist das, was mich ärgert!"

Was zunächst durchaus ernst gemeint war, driftete schnell ins Humorfach ab. Einerseits weil Doll in einen etwas merkwürdigen hanseatischen, an Dittsche erinnernden, Akzent verfiel, andererseits weil er ohne jede Not anatomische Unmöglichkeiten verkündete: "Da lach' ich mir doch den Arsch ab!" Ein ebenso krummes Bild wie die kniende Middendorpsche Bratwurst, das Doll nicht vor dem baldigen Rausschmiss bewahrte, auch weil skrupellose Reporter von "Bild" und den "Ruhr Nachrichten" den Vortrag mitleidslos mitfilmten und ohne die sonst üblichen Glättungen in Syntax und Sinn ins Netz stellten.

In der Folge wurde wild mit komödiantischen Formaten herumexperimentiert: Allen voran der ansonsten humoriger Ausflüge eher unverdächtige Klaus Augenthaler. Der stellte sich, angeschossen durch wochenlange Kritik, als Wolfsburger Trainer auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Aachen die Fragen kurzerhand selbst. Mit durchaus überraschenden Antworten: "Erstens: Wie ist die Stimmung in der Mannschaft? Die Mannschaft hat hervorragend gearbeitet", um anschließend wortlos von dannen zu ziehen.

Eine komödiantische Messlatte, die dann für viele Kollegen deutlich zu hoch lag. Gerissen wurde sie unter anderem jüngst von Alemannia Aachens Trainer Michael Krüger, der zwar zunächst das Doll'sche Bild vom lachenden Hintern intellektuell weiterentwickelte ("Das Trainer-Team reißt sich Woche für Woche den Arsch auf bis zur Hutkrempe und am Ende stehen wir oft mit leeren Hände da"), dann aber derart tief in die Magen-Darm-Problematik eintauchte ("Kaum ist Aimen Demai von der Scheißerei genesen, sitzt Cristian Fiél in der Kabine und übergibt sich"), dass nur zu hoffen bleibt, das Aachener Team wasche sich nach dem Training immer hübsch die Hände.

Unfreiwillig humorig wurde Krügers Ausbruch durch den anschließenden Exkurs in die Lohnbuchhaltung. "Mein Gehalt ist nämlich eh kein Gehalt, das ist Schmerzensgeld", polterte der Coach, der entgegen erster Vermutungen keine Lohnkostenzuschüsse von der Agentur für Arbeit kassiert.

"Ich finde das unglaublich, dass Sie das sagen!"

In letzter Zeit ist es vor allem der vierschrötige Bayern-Trainer Louis van Gaal, der regelmäßig für amüsante Zwischenfälle im Zwiegespräch mit Journalisten sorgt. Van Gaal, der ansonsten auch freizügig und oft auch ungefragt über erotische Feinheiten im Schlafzimmer ("Wir schlafen Löffel an Löffel") Auskunft gibt, ist dabei völlig unberechenbar. Zur großen Gaudi der Zuseher. Als ihn etwa Sky-Reporter Dieter Nickles nach dem eher dürftigen Unentschieden in Wolfsburg auf die maue Darbietung seiner Elf ansprach, bölkte van Gaal gleich dreimal hintereinander: "Ich finde das unglaublich, dass Sie das sagen!" und schaute dabei so sensationell angewidert, dass man sich fast wunderte, warum er das Gespräch nicht kurzerhand mit einem saftigen Kopfstoß beendete.

Beruhigend und für das leichte Humorfach angemessen bleibt bei alledem, dass sich die Protagonisten anschließend auch schnell wieder vertragen. Dieter Nickles nimmt wieder feste Nahrung zu sich, und Felix Magath und der Fernsehsender Sky reden ebenfalls nach dreistündiger Funkstille wieder miteinander. Auch wenn sich die gemeinsame Erklärung nach dem Eklat las wie eine mühsam in nächtlichen Sitzungen verhandelte Abschlusserklärung der Münchner Sicherheitskonferenz "Wir bleiben im Gespräch, vor und hinter der Kamera", hieß es da. Hand drauf.


Zuletzt von Julio Goncalves da Silva am Fr Mai 07, 2010 2:24 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag  El Präsidente Sa Apr 24, 2010 6:45 am

http://www.n-tv.de/panorama/Raeuber-stehlen-Fussballbilder-article839647.html

Deutsche Spieler nicht gefragt
Räuber stehlen Fußballbilder


Fußballbilder kommen fast in jeder (männlichen) Kindheit vor.
(Foto: picture-alliance/ dpa)

Eine schwer bewaffnete Bande hat in Brasilien kurzzeitig 30 Geiseln genommen, um 135.000 Panini-Bilder zur Fußball-WM in Südafrika zu erbeuten. Die Zeitung "Folha de São Paulo" berichtete, der Überfall auf einen Großhändler in Santo André bei São Paulo sei sehr professionell und ohne Verletzte abgelaufen. Von den Klebebildchen fehle jede Spur.

Wenige Wochen vor dem Start der WM befinden sich die brasilianischen Fußballfans gleich welchen Alters im Sammelfieber. Nach Angaben der Zeitung gab es in jüngster Zeit Lieferschwierigkeiten bei den begehrten Klebebildern.

Auf den Schulhöfen Brasiliens gehört es mittlerweile dazu, dass sofort ein Sammelalbum gezückt wird, wenn die Möglichkeit zum Tauschen besteht. "Am beliebtesten sind die Fotos von den Brasilianern und Argentiniern, klar, das sind doch auch die besten", erzählt der neunjährige Deutsche Jakob, der in São Paulo zur Schule geht. Die deutschen Spieler seien eher in der "Tausch-Preisklasse" von Nordkorea, Serbien oder Honduras zu finden.
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Beitrag  Julio Goncalves da Silva Fr Mai 07, 2010 2:28 pm

Arm und unsexy! Selbst Berlin weint kaum um Hertha
06.05.2010 - 00:28 UHR

Ich habe bisher in drei Bundesliga-Städten gelebt. Zunächst in Gelsenkirchen (geboren im Ortsteil Schalke), dann in Hamburg und jetzt in Berlin.

Wenn ich einen Vergleich anstelle, so spielt Hertha BSC Berlin im Stadtbild die mit Abstand bedeutungsloseste Rolle.

Dabei sind die Herthaner, wie Schalke und der HSV, ein stolzer Traditionsklub, wurden bereits 1930 und 1931 Deutscher Meister.

Doch heute wird selbst der bittere Abstieg in die 2. Liga mit geradezu stoischer Gleichgültigkeit erduldet.

Beim vorentscheidenden 0:1 gegen Schalke vor zwei Wochen gab es im Olympiastadion ein paar vereinzelte Tränen, ja! Aber ansonsten kaum Gefühlsausbrüche einer enttäuschten Liebe, nicht einmal Pfiffe.

Und auch im Rest der Republik bedauert man zwar, dass ausgerechnet unsere Hauptstadt in der Bundesliga nicht mehr vertreten ist – doch das Mitleid hält sich doch sehr Grenzen. Woran liegt das?

Fährt man in Schalke oder Hamburg Richtung Stadion, so trifft man Fans aus allen Teilen Deutschlands. Bei Hertha sieht man Berliner Nummernschilder, ein paar aus Brandenburg – und das war’s dann auch. Durch die 40-jährige Insel-Lage West-Berlins hat die Hertha in Deutschland fast zwei Generationen an Fans verloren.

Natürlich trifft den Verein daran keine Schuld. Aber man hat versäumt, unter diesen widrigen Umständen erst recht eine eigene, unverwechselbare Marke aufzubauen.

Man hat immer wieder den ganz schnellen Erfolg gesucht und man hat die eigene Identität darüber vergessen.

Große Berliner Talente, die die Multi-Kulti-Stadt repräsentieren, wurden vergrault und spielen heute woanders: Boateng (wechselt gerade für 12,5 Mio vom HSV zu Manchester City), Dejagah, Madlung (beide Wolfsburg), Salihovic (Spielmacher Hoffenheim), Olic (Bayern) oder Köhler (Frankfurt), um nur einige zu nennen.

Stattdessen wurden Söldner-Truppen zusammengekauft, die zwar teuer waren, aber keine Schlacht gewinnen.

Gefühlt war Nationalspieler Arne Friedrich in dieser Saison der einzige Deutsche, der bei Hertha eingesetzt wurde. Doch auch er eher ein Geräuschloser, der mitverantwortlich dafür ist, dass Hertha nur ein einziges Heimspiel gewinnen konnte. Jämmerlich!

„Wir sind arm, aber sexy“, hat der Regierende Klaus Wowereit einmal über Berlin gesagt. Auf Hertha trifft das nicht zu. Hertha ist arm und völlig unsexy!

In der „Berliner Morgenpost“ habe ich in dieser Woche eine treffende Meinung gelesen: „Hertha muss sympathischer werden, Fehler zugeben, auf die Fans zugehen, der Jugend eine Chance geben. Es wird höchste Zeit, dass Hertha wieder die Berliner Seele anspricht.“

Präsident Gegenbauer und der Aufsichtsrats-Vorsitzende Schiphorst, zwei besonnene Männer, wären gut beraten sich dies zu Herzen zu nehmen.

Vielleicht sollte deshalb der direkte Wiederaufstieg gar nicht das wichtigste Ziel sein.

Und hoffentlich nimmt man sich stattdessen die Zeit, Hertha BSC in der 2. Liga wirklich neu zu erfinden.

Denn Hertha wird in Berlin nicht genügend geliebt. Dabei ist dies die Voraussetzung, um im Fußball auf Dauer Erfolg zu haben.
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Beitrag  Julio Goncalves da Silva Do Mai 13, 2010 1:07 pm

Aufbruch ins Establishment

Von Mike Glindmeier und Maik Grossekathöfer

Präsident Corny Littmann hat den einst notorisch klammen FC St. Pauli zu einem profitablen Unternehmen umgebaut. Sein Pragmatismus kollidiert mit dem Selbstverständnis vieler Fans - für sie ist der Hamburger Kiez-Club auch in der ersten Liga ein Symbol für Unangepasstheit.

Der Mann, der die Legende begründet hat, der FC St. Pauli sei ein unkonventioneller, antikapitalistischer, ein rebellischer Verein, hat vormittags gegen halb zwölf einen schweren Kater. Er steigt aus seinem Bauwagen, das Gesicht ist zerknautscht, gestern hat er mit ein paar Kumpeln gegrillt und gebechert, auf dem Bauwagenplatz an der Gaußstraße in Hamburg. Der Mann setzt sich auf eine Bank, kramt Tabak und Papier aus der Jackentasche und rülpst.

Er nennt sich Doc Mabuse, niemand kennt ihn anders, sein richtiger Name ist in den siebziger Jahren verlorengegangen, als er in einer Punkrockband spielte, die Punkenstein hieß. In den Achtzigern wohnte er in der Hafenstraße, und wenn er dort für seine Hausbesetzergenossen Labskaus kochte, zerstampfte er die Kartoffeln mit dem Vorschlaghammer.

Mabuse zündet sich eine Zigarette an. "Der Totenkopf", sagt er und nimmt einen Zug. "Ich fand, der hat einfach gepasst zu St. Pauli. Wegen Störtebeker und so. Der hat auch gegen die ollen Pfeffersäcke gekämpft."

1981 kaufte Mabuse auf einem Volksfest neben dem Stadion eine Totenkopffahne, tackerte sie an einen Besenstiel und nahm sie mit ans Millerntor. Er war der Erste, mit ihm fing alles an. St. Pauli spielte in der Oberliga und war ein gewöhnlicher, proletarischer Stadtteil-Club ohne politisch-moralische Grundsätze. "Ich hab den Jungs im Block verklickert, dass der Totenkopf 'nen Zeichen für den Widerstand ist. Die haben dann auch alle so Fahnen mitgebracht. Wir standen immer auf der Gegengerade. Das war ganz wichtig. Gegen-Gerade. Verstehste?"

Heute ist der Totenkopf ein Symbol für die vermeintliche Unangepasstheit des Clubs, ein Element seiner Corporate Identity.

Mabuse rülpst wieder. Und erzählt, er sei neulich mit dem Fahrrad am Millerntor vorbeigefahren, an der neuen Südtribüne, die Fassade aus Glas und rotem Backstein. "Sieht aus wie 'ne Filiale von Woolworth. Und die Leute - wo du hinguckst, siehste Totenköpfe. Wenn ich das geahnt hätte damals, hätte ich jetzt 'ne Menge Knete. Was soll's? Arschlecken."

Er geht inzwischen lieber zum Oberligisten Altona 93 als zu St. Pauli. Zu viel Kommerz, zu viele Mode-Fans. "Ist nicht meine Welt, was Corny-Porny da macht."

Er meint Corny Littmann, den Präsidenten. Der Verein feiert diesen Monat seinen 100. Geburtstag, und es gibt nichts Größeres für Littmann, als die Mannschaft im Jubiläumsjahr wieder in der Bundesliga spielen zu sehen.

Littmann ist ein kleiner Mann mit Halbglatze und starrem Blick, Besitzer des Schmidt Theaters auf dem Kiez. Er hat den notorisch klammen Club in den gut sieben Jahren, in denen er im Amt ist, finanziell saniert, er lässt das Stadion umbauen, es gibt am Millerntor nun einen VIP-Raum, es gibt Business-Seats und Logen. Es ist eine neue Welt.

Der Präsident ist mit sich im Reinen, kompromisslos treibt er die Metamorphose des FC St. Pauli voran, hin zu einem durchorganisierten, kühl kalkulierenden mittelständischen Fußballunternehmen, das sich mit den Spielregeln der Unterhaltungsindustrie arrangiert. Littmanns Ziel ist es, sich mit dem Club in der ersten Liga einzurichten. Im Establishment.

Es gibt Fans des FC St. Pauli, und es sind nicht wenige, die halten das für politisch daneben. Für sie ist ein Fußballspiel kein Event, sie wollen einfach nur ihr Team nach vorn grölen, dabei Bier trinken, und in der Halbzeit gibt's eine Wurst. Keine Scampi. Für diese Fans gibt es keine Alternative zum morbiden Sponti-Charme, der den FC St. Pauli so lange umweht hat. Sie meinen, Littmann verkaufe die Seele des Vereins.

Es ist ein Spannungsfeld zwischen dem Bekenntnis zum Kommerz und dem Aufruf zur Revolution, Profitstreben und alternativer Fan-Kultur, Konsensbemühen und Punk-Attitüde.

"Wir müssen uns den Gesetzmäßigkeiten der Branche anpassen"

Corny Littmann sitzt auf einem roten Plüschsessel im Café seines Theaters am Fenster, auf der anderen Straßenseite der Reeperbahn blinkt die Leuchtreklame eines Sexshops. Littmann steckt sich eine Mentholzigarette an, sechs Stück wird er rauchen in einer Stunde, er schaut einem selten in die Augen, wenn er redet.

"Unser Trainer, Holger Stanislawski, hat der Mannschaft attraktiven Kurzpass-Fußball beigebracht", sagt er. "Seit geraumer Zeit entwickeln wir uns wirtschaftlich und sportlich kontinuierlich weiter."

Bevor er Präsident wurde, hatte er zehn Jahre eine Dauerkarte bei St. Pauli. "Wenn wir konkurrenzfähig sein wollen, müssen wir uns den Gesetzmäßigkeiten der Branche anpassen, allerdings unter Wahrung unserer Identität. Warum sollen wir das Rad zurückdrehen?" Er ringt sich ein Lächeln ab.

Littmann ist 57 Jahre alt und schwul, Schauspieler, Regisseur und Intendant. Ein bunter Vogel, der im Minirock auf dem Christopher Street Day tanzt. Aber das ist nur sein Tarnanzug. Littmann hat ein feines Gespür für Inszenierungen, er vermarktet sein Image. In Wahrheit ist er ein Entscheider, der gestalten will, nicht das Elend verwalten.

Als er 2002 Präsident wurde, verordnete er dem Verein einen Sparkurs, er entließ zahlreiche Mitarbeiter, stellte das Stadionmagazin ein, und für neue Spieler galt zeitweise eine Gehaltsobergrenze von 3000 Euro brutto. Um die Lizenz zu sichern, hat er die Kampagne "Saufen für St. Pauli" in Gang gebracht, die Wirte in den Kiezkneipen verlangten 50 Cent Solidaritätszuschlag pro Bier. Und es gab das legendäre T-Shirt mit der Aufschrift "Retter", von dem der Club 140 000 Stück verkaufte.

"Ich habe nach sachlichen Notwendigkeiten gehandelt", sagt Littmann und drückt eine Kippe in den Aschenbecher. "Ich kannte den Verein von innen nicht und musste keine Rücksicht nehmen auf Personen und Verbindungen."

Im vorigen Geschäftsjahr hat der FC St. Pauli 1,1 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet, in dieser Saison liegt der Umsatz bei knapp 18 Millionen, in der Bundesliga wäre es mehr als das Doppelte.

Und es könnte noch mehr sein. Littmann hätte nichts dagegen, wenn das Stadion "Ikea-Arena am Millerntor" heißen würde, aber die Fans haben auf der Mitgliederversammlung entschieden, das Stadion dürfe nicht umbenannt werden. "Es gibt ja auch Menschen, die die Mauer wiederhaben wollen", sagt Littmann. "Ich weiß, dass St. Pauli mehr ist als Fußball, es ist ein Lebensgefühl, ein Gegenentwurf beispielsweise zum VfL Wolfsburg. Wolfsburg ist der Appendix eines Konzerns. Das wollen und werden wir niemals sein."

Ein schwieriger Spagat. Littmann sagt, es wäre fatal, würde man scheinbare wirtschaftliche Zwänge über das Wesen des Clubs stellen. Darum wird es auch im neuen Stadion mehr Steh- als Sitzplätze geben, darum präsentiert kein Sponsor das Eckenverhältnis oder die verbleibende Spielzeit.

Und darum gibt es am Millerntor auch das schönste Ritual im deutschen Fußball: Die letzten sieben Minuten vor dem Anpfiff ist im Stadion nichts zu hören, kein Werbespot, keine Durchsage vom Stadionsprecher, nichts, nur die Gesänge der Fans. Bis dann die Mannschaften einlaufen, zu "Hells Bells" von AC/DC.

Am Tag des Heimspiels gegen Koblenz steht Littmann am Eingang der Südtribüne und strahlt. Nebenan im Fanshop treten sich die Kunden auf die Füße. Der FC St. Pauli kann nicht mit Titeln werben und nicht mit Top-Stars, trotzdem sympathisieren 19 Millionen Menschen in ganz Deutschland mit dem Club. Was St. Pauli hat, ist der Ruf, multikulturell zu sein, kreativ und unangepasst. Und aus diesem Ruf macht der Verein Geld.

Der Totenkopf ist ein Lifestyle-Produkt geworden

Früher gab es die Klamotten, die einen als Anhänger des FC St. Pauli kennzeichnen, in einem mit Graffiti beschmierten Container vorm Stadion. Heute werden Jacken, T-Shirts, Kappen und Schlappen mit Totenkopf in einer Boutique angeboten, am Boden Kopfsteinpflaster, an der Wand eine Gitarre, die Lichtkegel perfekt aufeinander abgestimmt. Es läuft Rockmusik, die erst fühlen und dann kaufen lässt. Der Totenkopf ist ein Lifestyle-Produkt geworden, ein Modeaccessoire wie das Che-Guevara-Shirt und das Palästinensertuch.

St. Paulis Freibeuter-Image ist hochprofitabel. 350 verschiedene Artikel mit dem Totenkopf sind im Angebot, kein anderer Verein hatte in den vergangenen fünf Jahren größere Zuwachsraten beim Merchandising, der Umsatz liegt bei 5,5 Millionen Euro, damit gehört St. Pauli zu den sieben erfolgreichsten Clubs in Deutschland.

Während des Spiels gibt es in den Logen Häppchen, Lamm mit Pestokruste und Garnelen mit Chili. Weiter unten, zu Füßen der "Ehrenwerten Gesellschaft", wie die Inhaber der Business-Seats bei St. Pauli genannt werden, stehen die Ultras und schwenken ihre Fahnen. Ihr Vorsänger hängt am Zaun, er brüllt "Aux Armes! Nous sommes Sankt Pauli!" ins Megafon, und die anderen singen es nach: Zu den Waffen! Wir sind Sankt Pauli!

Die Ultras sind jene Fans, die meinen, Littmann verrate St. Pauli, er passe den Club dem Mainstream an. "Es gibt diese einzigartige Stimmung am Millerntor bald nicht mehr", sagt einer, der anonym bleiben möchte, ein junger Mann mit Brille, intelligent, nachdenklich. "Die Leute auf den Business-Seats bewegen sich nur, um schnell an die Schnittchen zu kommen. Die sind beliebig und austauschbar. Die kommen nicht aus Sympathie zum Verein, sondern weil es gerade angesagt ist, sich so einen Platz zu kaufen."

Seit 21 Jahren hat er eine Dauerkarte, sein schönstes Spiel in dieser Saison sei das Auswärtsspiel in der ersten Runde des DFB-Pokals gewesen, in Villingen. "Kleines Stadion, fast nur Stehplätze, ein Bierzelt, fertig." Es sei übersichtlicher gewesen, wärmer, so wie es am Millerntor mal war.

Corny Littmann, sagt er, geriere sich wie der König von St. Pauli, klüngele mit Bürgermeister Ole von Beust, der auch noch von der CDU sei, und mache sich mit dem Club die Taschen voll. "Das Familiäre bei St. Pauli geht verloren."

Helmut Schulte kennt die Vorwürfe, die Kritik an der Vereinsführung, und sie ärgert ihn. "Dogmatismus hat noch nie zum Ziel geführt." Schulte ist seit zwei Jahren Sportdirektor des Vereins, er steht in der Küche der Geschäftsstelle und setzt Kaffee auf. Er kommt aus dem Sauerland, er hat etwas Breitbeiniges, Zupackendes.

Schulte hat schon mal für St. Pauli gearbeitet, er kam 1984 über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach Hamburg, war erst Jugendkoordinator, später Co-Trainer bei den Profis, dann Cheftrainer, er führte die Mannschaft 1988 in die Bundesliga.

Es war die Zeit, als das Privatfernsehen erstmals Spiele am Millerntor zeigte. Die Reporter prägten das Klischee vom "Freudenhaus der Liga", und wenn sie von einem Freistoß redeten, war nicht immer sofort klar, ob sie eine Standardsituation auf dem Rasen meinten oder eine im angrenzenden Rotlichtviertel.

"Die Fans, die Kampffußball in einem schrottigen Stadion wiederhaben wollen, vergessen, dass wir Geld verdienen müssen", sagt Schulte. "Mode und Musik verändern sich, die Fußballkultur eben auch. St. Pauli war immer ein toleranter Verein, und das muss so bleiben. Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Lude oder Manager - ich habe beide lieb!"

Schulte zeigt mit dem Finger Richtung Straße. Er meint, der Verein entwickele sich im Gleichschritt mit dem Stadtteil. Als lebten Kiez und Club in Symbiose. Aus dem Arbeiterviertel sei ein moderner Bezirk entstanden und der einst chaotische Verein professionell geworden. "Es ist der richtige Weg, um den FC St. Pauli aus dem Tal der Tränen zu führen. Die Gäste im VIP-Bereich trinken auch Bier und schießen sich mal die Lampen aus."

Schwer zu sagen, ob sich in Littmanns Welt am Ende alle wiederfinden, Fundis wie Realos.

Doc Mabuse, der Mann mit der Totenkopffahne, hockt in seinem Bauwagen, der Fernseher läuft, eine Dose Linsensuppe steht auf dem Boden. 15 Jahre war er nicht mehr am Millerntor, aber neulich waren ein paar Fans da und haben ihm eine Karte geschenkt und Briketts für den Ofen. "Da hatte ich Pipi in den Augen." Er hat die Karte mit einer Stecknadel neben die Tür seines Bauwagens gepinnt.

Mabuse fischt seine alte Kutte hervor, eine zerfetzte Jeansweste mit unzähligen Aufnähern. "Kann ich nich mehr anziehen, zu viele Löcher. Is auch 'nen Vogelschiss drauf." Seine alte Fahne hat er verbrannt, aus Wut, dass die "Retter"-Shirts bei McDonald's verramscht wurden und Ole von Beust Dauerkarten verkauft hat. "Das ging mir aufn Sack." Trotzdem geht er Sonntag gegen Paderborn ans Millerntor, es ist das letzte Spiel der Saison. "St. Pauli kannste nicht einfach abschütteln, keine Frage, das geht nicht."

Er wird auf der Gegengerade stehen und aus voller Kehle "You'll Never Walk Alone" singen. Als wäre nichts passiert.
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Fußball Allgemein Empty Raphael Schäfer im kicker

Beitrag  Julio Goncalves da Silva Di Aug 10, 2010 12:48 pm

kicker: Wie stehen Sie zum Hype um Ilkay Gündogan und die Millionensummen, die als Ablöse im Gespräch sind?

Schäfer: Ich finde sie absolut gerechtfertigt, weil ich den Jungen jeden Tag im Training sehe. Ich weiß, was Illy kann. Wenn er die richtigen Leute um sich hat, kann er viel erreichen. Nicht nur im deutschen, sondern im europäischen Fußball. Er ist ein Spieler, der schon in diesem Alter viel in sich vereint.

kicker: Von den Anlagen her vergleichen ihn viele Experten mit Nationalspieler Mesut Özil.

Schäfer: Ich finde, er kann besser werden als Mesut, auch weil er intelligent und im Kopf schon sehr weit ist.
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